Heute: Frisuren

Aus einem europäischen Hintergrund heraus klingt das Thema "Frisuren" wahrscheinlich lapidar, ich schreibe ja eigentlich keinen Modeblog ...
...Und genau deshalb  möchte ich darüber schreiben.

In Europa drehen Frauen ihre Haare auf Lockenwickler, Lockenstäbe, Glätteisen, über  Rundbürsten, versuchen dem eigenen Haar mit Volumen-, Farb- oder Repairschampoos mehr Fülle, 
mehr Lebendigkeit, mehr Sprungkraft zu verleihen oder lassen es sich zum "frechen" Kurzhaarschnitt, mit Gel prepariert, umgestallten.
In Sambia sieht das etwas anders und doch sehr ähnlich aus.

Gemäß dem Moto "Man will immer das haben, was man grade nicht hat" versuchen Frauen ihre Haare auf ein bestimmtes Schönheitsideal hin zu bearbeiten. In Europa könnte das "natürlich, lebendig, gesund" heißen, in Sambia eher "fließend, weiblich, extravagant ODER ladylike" sein.
Afrikanisches Haar ist von Natur aus eher widerspenstig und kriselig. Besonders nach dem Waschen ist es extrem schwer zu kämmen, wie ich vor allem in Da gama am eigenen Leib erfahren habe. Es kann einen schon mal zur Verzweiflung oder zu Schmerzestränen treiben und mit wachsender Haarlänge, 
wachsen auch die Komplikationen ...

Manche Frauen versuchen ihre Haare so weit es geht mit Ölen oder ölhaltigen Haarprodukten, Föhnen und Glätteisen zu "relaxen" (=glätten, entwirren, gescheidig machen), um es annähernd fallen und fließen lassen zu können. Es ist dadurch zwar nicht mehr in der Vertikale, aber doch noch zu sehr in der Horizontale als dass man es als "fallend, fließend" bezeichnen würde.

Eine andere Möglichkeit ist das "Plaiten" (afrikanische Art zu flechten). Viele von euch haben besonders DIESE Haarbändigungsmaßnahme wahrscheinlich schon einmal gesehen. 
Es gibt viele verschiedene, zum Teil sehr unterschiedliche, Methoden. Man kann die Haare wie lauter kleine Bauernzöpfe am Kopf entlang (in verschiedenen Mustern) oder halb gedreht, 
halb geflochten oder (vor allem bei Europäern) nur vom Kopf weg geflochten tragen. Dies ist die Methode, die vor allem Kinder, ältere Frauen und die eher ärmeren Bevölkerungsschichten benutzen ... oder die, denen Natürlichkeit wichtig ist :)

Plaiten IST eine Kunst ...

 

Kombination aus Plaiten und Extentions

 












Der große Renner allerdings sind Extentions (künstliche Haarteile) und Perrücken. Besonders ersteres sieht man immer und überall und wieder in verschiedenster Form. 
Es fängt mit Extentions an, die man einfach ins eigene Haar

"Einnähen"

miteinflicht, um es länger zu machen oder ihm eine andere Farbe zu verleihen, bis hin zu Extentions, die man ins Haar "einnäht". Dazu flechtet man alle Haare zu Bauernzöpfen am Kopf entlang, dann näht man Haarteile, die auf einen schmalen Stoffstreifen geklebt sind, mit Garn an die einzelnen Zöpfe, um verschiedene Ebenen (Kopfhaar, Nackenhaar, usw.) zu simulisieren und dem Ganzen einen möglichst natürlichen Anschein zu geben.

Eine Frisur ist Natur ... aber welche ?

 Wie natürlich es dann wirklich wirkt, hängt davon ab, 
wie oft die Extentions bereits benutzt worden sind (Waschen und kraftvolles Kämmen hinterlassen irgendwann Spuren), 
wie viel Geld der Käufer eingesetzt hat und damit, 
wie hoch die Qualität ist, welche Farbkombinationen 
(von schwarz, braun und blond über rot, blau und violett gibt es alles zu kaufen, manchmal sogar mit Tiger- oder Leopardenmuster) und welcher "Haarschnitt" gewählt worden sind. 
Denn man kann auch im Laden die Frisur seiner Wahl aussuchen und bekommt dann die passenden Extentions, bereits geschnitten und zusammengestellt. Allerdings werden mit diesen, 
den europäischen nachempfundenen Haaren Dinge angestellt, 
bei denen sich einem Europäer (in dem Fall mir) im wahrsten Sinne des Wortes die Haare sträuben; Das könnte man mit unseren Haaren NIEMALS machen, das würde einfach gar nicht funktionieren und halten! In diesem Fall muss das Ideal der Natürlichkeit also dem Ideal der Extravaganz Platz machen ...

Warum schreibt sie jetzt eigentlich darüber? Nun ja, 
weil gerade im Bezug auf Haare einige weitere wichtige Züge der Gesellschaft deutlich werden.

1. Wenn du arm bist, versuche es zu verstecken! 
Ein bisschen angelehnt an das Motto "Jeder ist seines Glückes Schmied" vertreten einige Kreise die Meinung, dass es ja Beispiele für sehr erfolgreiche Sambier gibt, warum sollen das nicht auch Andere schaffen können. Eine arme Frau muss nicht arm und hässlich aussehen, also wird teilweise sogar der letzte Ngwee in Extentions angelegt.

2. Es ist ein Statussymbol. Europa wird immer noch mit "Erfolg, Reichtum, Freiheit und Fortschrittlichkeit" assoziiert. 
Wer in Sambia europäisch wirkt, hat es geschafft. 
Leider wird naturbelassen kriseliges, leicht abstehendes Haar im Gegensatz zum falschen, "europäischen" Haar nicht als damenhaft, sondern als dörflich, unentwickelt, arm und nicht am Rad der Zeit interpretiert ...

3. Haare zu frisieren ist eine Beschäftigung, fast schon ein kreatives Hobby, das Mädchen und manchmal auch interessierte Jungs (!) von frühster Kindheit an lernen. Und es ist wirklich eine Kunst, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. 
So viele verschiedene Flechtfrisuren kann man mit unseren Haaren glaube ich gar nicht hinkriegen!

Der Selbstversuch:

Variante 1:
Hier sind meine Haare nur geplaitet und weil meine Kopfhaut so extrem weiß ist und ich ein bisschen gerupft aussehe, weil meine Haare beim Plaiten extrem stark zusammengezogen wurden, war das Fazit:

Scarry-Movie !

Und danach:

Stromschlag ...

Variante 2:

Diesmal haben wir rotbraune Extentions miteingeflochten, damit der Kontrast nicht so stark ist, wir mehr Haare zur Verfügung haben und ... ich wollte es einfach mal ausprobieren ... :)
Fazit:

JETZT siehts sogar ganz gut aus!

So schnell sind meine Haare noch nie gewachsen (Arbeitszeit: ca.11 Stunden) und soooo lang werden sie vermutlich auch nie mehr werden ... 
... außer wir machen das Ganze noch mal ...